Das Spiel gegen das Fianchetto als Teil der Königsstellung, Teil 1
- Einleitung
Die Aufstellung des Königsläufers auf g7 oder g2 wird allgemein Fianchetto genannt.
Um die große Bedeutung des Fianchettos hervorzuheben, muss man sich nur die große Zahl
an Eröffnungen anschauen, in denen dieses Manöver zum Standard zählt. Beispielhaft
zu nennen sind hier etwa die Königsindische Verteidigung, Modernes Benoni, Grünfeldindisch,
die sizilianische Drachenvariante, der geschlossene Sizilianer oder die Pirc-Verteidigung und
insbesondere zahlreichen Eröffnungen nach 1.d4 bzw. 1.c4 wie Katalanisch, Englisch oder
Holländisch, Damenindisch und natürlich alle "Fianchettosysteme". Die vorliegende
Betrachtung soll einige typische Ideen und Pläne aufzeigen, wie gegen diese Aufstellung,
insbesondere als Teil der Königsstellung, vorgegangen werden kann. Hierzu soll zunächst
eine abstrakt strategische und so dann eine konkrete Betrachtung anhand von Partiebeispielen erfolgen.
- Strategische Betrachtung
- Die Vorteile des Fianchettos
- Die lange Diagonale
Ein wichtiger Vorteil des der Fianchettoaufstellung ist die Möglichkeit, einen Läufer
aktiv auf der langen Diagonalen aufzustellen. In der Regel findet er am gegenüberliegenden
Flügel ein geeignetes Angriffsziel.
- Das Fianchetto als Verteidigungsstruktur
Das Fianchetto als Rochadeverteidigung gilt gemeinhin als sehr solide. Ein Angriff, der
ausschließich mit schweren Figuren (Turm und Dame) geführt wird, hat kaum
Aussichten auf Erfolg. In dem obenstehenden Beispiel aus der 24. Wettkampfpartie um die
Weltmeisterschaft zwischen Karpov und Kasparov vom 9.11.1985 scheint der Anziehende über
eine starke Initiative am Königsflügel zu verfügen. Die schwarze
Königsstellung mit dem Lg7 und der Möglichkeit, den Sd7 nach f8 zu stellen ist jedoch
kaum zu überwinden. Karpov zögerte, verlor die Partie und die Weltmeisterschaft!
- Die Nachteile des Fianchettos
Natürlich kommt es immer auf die konkrete Stellung an, um eine bestimmte Aufstellung oder ein
bestimmtes Manöver angemessen bewerten zu können. Doch kann man sich vielen Problemen
abstrakt nähern, in dem man die zugrunde liegende Bauernstellung, welche auch als
"Rückgrat der Stellung" bezeichnet wird, betrachtet und daraus grundlegende
strategische Ideen folgert. In Bezug auf die Fianchettoaufstellung ergeben sich bei grober
Betrachtung zwei Folgerungen:
- Felderschwächen nach Abtausch des Läufers
Das obenstehende Diagramm zeigt die grundlegende Bauernstruktur eines Fianchettos. Die schwarzen
Bauern befinden sich alle auf weißen Feldern. Sie können von hieraus keine schwarzen
Felder kontrollieren. Diese typischen Felderschwächen werden in der Regel durch den
Fianchettoläufer (in diesem Fall auf g7 postiert) aufgefangen.
Aus diesem Umstand ergibt sich bereits ein strategischer Grundgedanke im Spiel gegen das Fianchetto:
Der Abtausch des Läufers, um im Anschluss die schwachen Felder ausnutzen zu können.
Man stelle sich im Diagramm nur einen weißen Sf6 und eine weiße Dh6 vor!
Darüber hinaus mangelt es der schwarzen Bauernstellung im Vergleich zu der weißen
(Ideal-)Phalanx an Flexibilität. Jeder weitere Bauernzug, etwa h7-h6(h5) oder f7-f6(f5)
führt zu einer erheblichen Schwächung.
- Linienöffnung durch Hebel
Ein weiterer Nachteil in der Festlegung der Bauernstellung durch ein frühzeitiges Fianchetto
besteht in der Erleichterung der Linienöffnung für den Gegner. Im obenstehenden Beispiel
kann der Anziehende entweder mit h2-h4-h5xg6 oder f2-f4-f5xg6 die Öffnung einer Linie
herbeiführen und damit einen der weißen Türme aktivieren. Stünde der schwarze
g-Bauern noch auf g7, wäre dies nicht ohne Weiteres möglich.
- Typische Pläne bzw. Manöver in konkreten Beispielen
- Linienöffnung durch den Hebel h2-h4-h5 und Abtausch des Läufers
Zunächst sollen zwei einfache Beispiele gezeigt werden, in denen die weiße Strategie in
Reinform zu sehen ist. Der Anziehende nutzt jeweils seinen h-Bauern, um eine Linie gegen den
schwarzen König zu öffnen und tauscht den Fianchettoläufer ab. Die schwarze
Königsstellung ist in der Folge stark geschwächt und anfällig für Angriffe
des Anziehenden.
Tal,Mihail - Wade,Robert Graham
Palma de Mallorca 1966
Weiß am Zug
Die vorliegende Stellung ist aus der Drachenvariante der Sizilianischen Verteidigung hervorgegangen.
Markant hierfür ist die Fianchettoaufstellung des schwarzen Läufers auf g7. Der Anziehende
hat mit einer der Hauptvarianten reagiert und steht bereit, die Anfälligkeit der
Königsstellung des Nachziehenden aufzuzeigen. Durch die Aufstellung der Bauern auf f7, g6 und h7
sind die schwarzen Felder um den König geschwächt worden. Außerdem fällt es dem
Anziehenden leichter gegen die Bauernstellung auf g6 einen Hebel anzusetzen. Tal zeigt in dieser alten
Partie einen logischen und effektiven Plan. Er stellt seinen König am Damenflügel auf,
schwächt die schwarze Königsstellung durch einen Abtausch der schwarzfeldrigen Läufer
und öffnet die h-Linie mit h2-h4-h5.
10.h4 In der heutigen Praxis ein seltener Zug. In der Regel wird zunächst
10.0-0-0 gespielt. Dennoch ist der Textzug nicht unlogisch. 10... Tc8 11.Lb3 Da5?!
Den Zug Da5 sollte man besser in Verbindung mit Tfc8 und nicht mit Tac8 spielen. Nach den
natürlichen weißen Zügen 0-0-0 und Kb1 muss der Nachziehende immer mit Sc3-d5xe7+
rechnen. 12.h5 Bei heterogenen Rochaden ist die Initiative das entscheidende
Stellungsmerkmal. Der schnellere Angriff führt zuerst zum Matt und beendet die Partie. Bauern
sind dabei nicht so wichtig. 12... Sxh5 13.g4 Sf6 14.0-0-0 Se5 15.Lh6
Der Anziehende verfolgt seinen Plan konsequent weiter. Die Öffnung der h-Linie war die erste
Etappe im Spiel gegen das schwarze Fianchetto. Jetzt folgt die zweite in Form der Beseitigung des Lg7.
15... Lxh6 16.Txh6 [16.Dxh6 erlaubt 16... Txc3! 17.bxc3 Dxc3 mit schwarzer Initiative]
16... Txc3?! Das Qualitätsopfer auf c3 ist im Sizilianer und in der Drachenvariante
im besonderen eine typische Möglichkeit, Gegenspiel zu erlangen. In der vorliegenden Stellung
scheint es aber ein wenig verfrüht. Genauer wäre es wohl gewesen, den Angriff mit Sc4 zu
beginnen, um den weißen Läufer abzutauschen und den Tf8 ins Spiel zu bringen.
[16... Sc4 17.Lxc4 Txc4 18.Kb1 Tfc8 unklar] 17.bxc3 Tc8 18.Kb2 b5 19.Tdh1 Weiß
zieht seine Truppen gegen den schwarzen König zusammen. Seine Idee ist offensichtlich.
19... Sc4+ 20.Lxc4 bxc4
Wie soll Weiß fortsetzen?
21.Txh7! Sxh7 22.Dh6 e6? In einer schwierigen Stellung greift der Nachziehende fehl.
[22... De5! 23.Dxh7+ Kf8 war die einzige Chance] 23.f4!+- Jetzt kann die schwarze Dame
nicht mehr über e5-g7 in die Verteidigung geführt werden. Weiß wird einen Bauern nach
g5 stellen, um der Dame nach Dxh7+ Kf8 Dh8+ Ke7 das Feld f6 zu sichern. Schwarz ist verloren.
23... e5 24.g5! Le8 25.Se6! 1-0 [25... Tb8+ (25... fxe6 26.Dxh7+ Kf8 27.Dh8+ Ke7 28.Th7+
Lf7 29.Df6+ Kd7 30.Dxf7+ Kc6 31.Db7+ Kc5 32.Dxc8+ Kb5+-) 26.Kc1 fxe6 27.Dxh7+ Kf8 28.Dh8+ (28.fxe5+-)
28... Ke7 29.Th7+ Lf7 30.Dxb8+-]
Slovineanu,Viacheslav (2440) - Jianu,Vlad Cristian (2225)
Bukarest 1998
1.e4 c5 2.Sc3 Sc6 3.g3 g6 4.d3 Lg7 5.Lg2 d6 6.Le3 e6 [6... Sf6; 6... Tb8; 6... e5]
7.Dd2 Sge7
Die Aufstellung mit g6, Lg7 und e6 Sge7 ist für den Nachziehenden gegen die geschlossene
Variante der Sizilianischen Eröffnung typisch. Sie dient insbesondere dazu, einem weißen
Angriff mit f2-f4 durch eine Blockade des Feldes f5 entgegenzuwirken. In der vorliegenden Variante
aber, in welcher der Weiße versucht statt mit f2-f4, einen Angriff mit Le3 und Dd2 nebst Lh6
einzuleiten, muss der Nachziehende sehr genau spielen. Der Plan des Anziehenden ist sehr logisch:
Schwächung der schwarzen Felder durch Abtausch des Lg7 und Öffnung der h-Linie durch den
Hebel h2-h4-h5. 8.Lh6! 0-0 9.h4!
Weiß setzt seinen Plan in die Tat um. Nach dem Tausch des Lg7 und der Öffnung der h-Linie
wird der schwarze König gefährlichen Drohungen ausgesetzt sein.
9... f5? Dieser Zug führt bereits zu ernsthaften Schwierigkeiten. Schwarz
musste unbedingt zu f6 greifen, um eine Öffnung der h-Linie zu vermeiden und die schwarzen
Felder um seinen König wieder unter Kontrolle zu bekommen.
[9... f6∞; 9... Lxh6 10.Dxh6 f6∞ Diese Fortsetzung ist besser, da der Anziehende seinen
Angriff aufgrund einer kleinen, aber wirksamen Falle nicht ungehindert fortsetzen kann und Zeit verlieren
muss. 11.h5? (11.Dd2) 11... g5! 12.f4 Kh8 nebst Sg8 und gewinnt die Dame.]
10.h5 Tf7 11.hxg6 hxg6 12.Lxg7 Txg7±
Der Anziehende hat seine Pläne ohne Gegenwehr durchsetzen können. Die Nachteile des
Fianchettos sind augenscheinlich. Die schwarzen Felder am Königsflügel sind schwach und der
Th1 kann schnell und aktiv ins Spiel eingreifen. 13.Sf3 d5 14.exd5 exd5 15.d4 c4 16.Dh6
Die weiß Stellung spielt sich wie von allein. Nach der langen Rochade werden alle Figuren am
Angriff teilnehmen. 16... Kf8 17.0-0-0 +- Le6 18.De3 Dd7 19.Sg5 Lg8 Der Anziehende
bringt jetzt noch seinen Turm nach h8, um dann auf e6 einzusteigen. 20.Th8 b5 21.Te1 b4 22.Se6+
Kf7 23.Dh6 1-0
- Die Aufstellung f4-f5, De1-h4, Lh6, Sg5
Diese Spielweise gegen das Königsfianchetto ist vor allem in Eröffnungen anzutreffen,
in denen der f-Bauer in Bewegung gesetzt wird. Zu nennen ist hier etwa der Grand-Prix-Angriff oder
die Geschlossene Variante gegen die Sizilianische Verteidigung und der Dreibauern-Angriff gegen
die Pirc-Verteidigung, aber auch das Leningrader System der Holländischen Verteidigung.
Die Aufstellung der Dame auf h4 ist eine andauernde Gefahrenquelle für den schwarzen König.
Weiß stellt seinen Läufer nach h6 und lässt Sg5 folgen. Es droht immer sehr
gefährlich ein kombinatorischer Schlag gegen h7. Etwa durch die Beseitigung des wichtigen
Verteidigungsspringers f6 durch ein Qualitätsopfer (Tf1xf6) nach Öffnung der f-Linie mit
f5xg6.
Hebden,Mark - Large,Peter G
Torquay, 1982
Welchen Plan soll Weiß wählen?
Die Stellung ist das Ergebnis eines Grand-Prix-Angriff in der Sizilianischen Verteidigung. Der
Anziehende verfügt über die bessere Bauernstruktur und steht daher etwas besser. Die
Eröffnungsphase ist nun aber fast vorbei und er muss sich für einen Plan entscheiden.
Trotz der Verdoppelung der Bauern ist der schwarze Damenflügel nicht leicht anzugreifen. Im
Gegensatz dazu fällt die Mobilisierung der weißen Kräfte am Königsflügel
nicht schwer. Er kann seine Dame nach h4 bringen und mit f4-f5 dem Lc1 einen Weg nach h6 eröffnen
und den Tf1 aktivieren. Dieses Vorgehen wird entscheidend durch die als Folge der Fianchettierung
auftretenden Schwächung der schwarzen Königsstellung begünstigt.
9.De1! Se8 10.Dh4 Dieser Zug gibt dem Nachziehenden zusätzliche
Verteidigungsmöglichkeiten. Besser war es daher, sofort f4-f5 zu ziehen. 10... Sd6?!
Dieser Zug hindert den Anziehenden nicht an der Durchführung seines Planes. Es
wäre besser für den Nachziehenden gewesen, dem weißen Angriff mittels f7-f5 einen
Riegel vorzuschieben. 11.f5! Jetzt läuft der weiße Angriff auf Hochtouren.
Der Lc1 geht nach h6 und der Sf3 nach g5. Zudem kann sich der Tf1 aktiv über die f-Linie
einschalten. Das Opfer eines Bauern ist in dieser Stellung nicht von Bedeutung. Die weiße
Initiative wiegt dies mehr als auf. 11... gxf5 12.e5 Se8 13.Lh6!
Die schwarze Verteidigung ist nicht einfach. Er hat zwar einen Bauern mehr, aber seine Figuren werden
von dem Be5 spürbar eingeschnürt. [13.Sg5? Dd4+] 13... f6
[13... La6 14.Kh1 e6 15.Sg5±] 14.Kh1 Der Anziehende achtet auf die Chancen
des Gegners und macht zur Vorbereitung des Angriffs einen prophylaktischen Zug. Ein allzu
ungestümes Vorgehen hätte der weißen Initiative ein schnelles Ende gesetzt.
[14.Tae1 fxe5 15.Sxe5 Dd4+! und der Damentausch rettet Schwarz.] 14... Lxh6 15.Dxh6 Sg7
[15... fxe5 16.Dxc6 Ld7 17.Dh6±] 16.Tae1 Jetzt sind fast alle weißn Figuren am
Angriff beteiligt. Nur der Sc3 muss noch zum Königsflügel geführt werden.
16... Le6 17.Se2 c4 18.Sf4 cxd3?! 19.cxd3?! Hier verpasst der Anziehende den sofortigen Gewinn.
[19.Dxg7+!! Kxg7 20.Sxe6+ Kf7 21.Sxd8+ Tfxd8 22.exf6 Kxf6 23.cxd3 Txd3+-] 19... Lxa2
[19... Dd7 20.Te3 nebst der Turmüberführung nach g3 ist sehr stark. 20...Tad8 21.Sd4 Dxd4
22.Tg3+-] 20.e6 Dc8 [20...Dd6 21.Te3+-] 21.Te3 Sxe6 [21... c5 22.Sd4
cxd4 23.Tg3+- (23.Th3+-)] 22.Sxe6 [22.Se5+-] 22... Lxe6 23.Txe6 Tf7
[23... Dxe6 24.Sg5+- War die taktische Begründung für den Abtausch auf e6.] 24.Tfe1+-
Dd7 25.Sh4 Te8 26.Sxf5 Dxd3 27.Sd6 1-0
Markgraf,A (2420) - Margraf,D (2280)
Hamburg 2006
Diese Partie wurde zwar nur im Blitzmodus gespielt, dennoch verdeutlicht sie die Stärke des
weißen Planes. 9.De1! Weiß bringt seine Dame nach h4 und lässt
f4-f5, Lh6 und Sg5 mit starkem Angriff folgen. 9... Tb8 10.a4 a6 11.Dh4 Ld7 12.a5 b5
Schwarz ist auf der Suche nach Gegenspiel am Damenflügel. 13.axb6 Txb6 14.f5!
Weiter nach Schema F. Weiß öffnet den Weg für seinen schwarzfeldrigen Läufer
nach h6. 14... Sb5 15.Lh6 Sd4 16.Sg5↑
Der Anziehende hat sein Ziel erreicht. Seine Figuren verdeutlichen die Schwäche der dunklen Felder
um den schwarzen König. Der Angriff ist kaum abzuwehren. 16... c4 17.fxg6
Beginn der Schlusskombination. Der Tf1 schaltet sich ins Geschehen ein, bereit auf f6 einen wichtigen
Verteidiger zu entfernen. 17... fxg6 18.Lxg7 [18... Kxg7 19.e5! Räumt das Feld e4
für den Sc3 und aktiviert den Ld3 mit Tempo. 19... dxe5 20.Txf6 h6 (20... Tfxf6 21.Dxh7+ Kf8 22.Dh8#;
20... Kxf6 21.Sce4+ Kf5 22.Tf1+ Sf3+ 23.Txf3#) 21.Se6+ Txe6 (21... Lxe6 22.Txg6+ Kf7 23.Dh5+-) 22.Txf8
Dxf8 23.dxe6 cxd3 24.exd7+-] Schwarz gab auf! 1-0
- Der Angriff gegen den Punkt h7 nebst Opfer auf g5
Bereits in dem vorherigen Abschnitt ist deutlich geworden, dass eine Dame auf h4 (bzw. h5) eine
ständige Gefahr für den gegnerischen König darstellt. Sie kann aber nicht nur dazu
dienen, den Abtausch des Fianchettoläufers mittels Lh6 (bzw. Lh3) vorzubereiten. Die Dame
attackiert von hier aus auch den schwachen Punkt h7 (bzw. h2). In Verbindung mit einem Springer
auf g5 (bzw. g4) können so schnell Mattdrohungen geschaffen werden. Der Verteidiger wird
dann gezwungen sein, seinen Bauern nach h6 (bzw. h3) vorzuziehen, wo dieser nach Abzug des
Springers wieder schwach ist (zB aufgrund der Drohung Lc1xh6). Um den Verlust des Bauern zu
verhindern wird er gezwungen sein, einen Königsflügelbauern erneut zu ziehen. Beide
Möglichkeiten sind mit nicht unerheblichen Nachteilen verbunden. Nach h6-h5 (bzw. h3-h4) sind
die schwarzen Felder am Königsflügel endgültig und für alle Zeit geschwächt.
Nach dem Aufzug des g-Bauern muss mit einem Läuferopfer auf g5 (bzw. g4) gerechnet werden.
Palatnik,Semon (2405) - Bronstein,David I (2570)
Tiflis 1973
Schwarz am Zug.
Der Anziehende hat die Eröffnung nicht sonderlich genau behandelt. In der Folge ist es
Bronstein gelungen, eine angenehme Stellung aufzubauen. Er hat die aktiveren Figuren, verfügt
über keine nennenswerten Schwächen. Außrdem steht der weiße Sa4 schlecht.
Aber wie soll es weitergehen? Wenn es dem Anziehenden gelingt, ein paar Figuren abzutauschen, kann
er schnell ausgleichen. Um seinen Vorteil nicht zu verlieren, muss der Nachziehende energisch handeln.
Schwarz verfügt über einige interessante Fortsetzungen. Er kann z.B. einfach versuchen,
mit Td7 nebst Tad8 die Kontrolle über die d-Linie zu festigen. Auch Ld2 mit der Idee, die zweite
Reihe zu erobern, kommt in Betracht. Bronstein hingegen wählt die wohl energischste Fortsetzung
und attackiert dort, wo die wenigsten weißen Figuren wirken - am Königsflügel.
18... Dh5!? Bronstein legt den Finger in die Wunde. Die weiße
Königsstellung ist durch die Fianchettierung des Lg2 auf den hellen Feldern empfindlich
geschwächt. Es droht im Moment einfach das Schlagen auf h3. Der Anziehende kann dies nur durch
einen weiteren Bauernzug unterbinden. 19.g4 Diese Verteidigung lädt den
Nachziehenden zu einem Opfer auf g4 ein. O-Ton Bronstein: "Der Läufer nahm den g-Bauern mit
derselben Geschwindigkeit, mit der er auf g4 aufgetaucht war." [19.h4!? Dies war die Alternative,
die nach Bronstein etwas genauer gewesen wäre. Doch auch der Zug 19.h4 hat offensichtliche
Nachteile. Die weißen Felder am Königsflügel sind stark geschwächt und die
schwarze Dame kontrolliert von h5 aus das wichtige Entlastungsfeld d1. Interessant war der Versuch
19.Ld4!?] 19... Lxg4! Die einzige konsequente Fortsetzung. Schwarz bekommt zwei
Bauern für die Figur und einen starken Angriff. Die schlechte Stellung der weißen Figuren
am Damenflügel und die Möglichkeit, den Angriff mit Ld6 oder Td6 nebst Schwenk zum
Königsflügel zu verstärken sprechen (intuitiv) für die Korrektheit des Opfers.
20.hxg4 Sxg4 Der Nachziehende hat die mit 18... Dh5 angestrebte Stellung erreicht.
Konkret droht Matt auf h2. Der Anziehende muss den Punkt entweder überdecken oder das Feld f1
für seinen König räumen. 21.Lf4 Deckt das Matt auf h2. [Die
Räumung des Feldes f1 hätte nicht geholfen: a) 21.Tfe1 Lxe1 22.Txe1 Dh2+ 23.Kf1 Sxe3+
24.Txe3 (24.fxe3 Td6-+) 24... Td1+ 25.Ke2 Dxg2 26.Kxd1 Td8+ Der weiße König ist den
schwarzen Schwerfiguren schutzlos ausgeliefert. Er findet keinen sicheren Unterschlupf. 27.Ke2
Dg4+ 28.Kf1 (28.f3 Dg2+ 29.Ke1 Dg1+ 30.Ke2 Dd1+ 31.Kf2 Td2+ 32.Kg3 (32.Dxd2 Dxd2+-+) 32... Dg1+
33.Kf4 g5+ 34.Ke4 f5+ 35.Kxf5 Dxe3-+) 28... Td1+ 29.Te1 Dh3+ 30.Ke2 Dd3#; b) 21.Tfd1 Sxe3 (21... Txd1+
22.Txd1 Sxe3 23.Td3-+) 22.Txd8+ Txd8 23.fxe3 Td2 24.Dc1 De2 25.Df1 Dxe3+ 26.Kh1 Td6-+; 21. c) Tfc1
Dh2+ 22.Kf1 Sxe3+ 23.fxe3 Td2-+] 21... Ld6!
Einfach und stark. Der Lf4 ist die einzige Verteidigungsfigur. Nach dem Tausch kann Schwarz
außrdem das Feld für die Überführung des Td8 zum Königsflügel
nutzen. [21... Td2!?↑] 22.Lxd6 [Auch andere Züge helfen nicht viel:
a) 22.Dd2 Dh2+! Nutzt die Stellung der Dame in der d-Linie aus. 23.Lxh2 Lxh2+ 24.Kh1 Txd2 25.f3 Se3-+;
b) 22.Dd4 Dh2+ 23.Lxh2 Lxh2+ 24.Kh1 Txd4 25.f3 Se3;
c) 22.Dc1 Vielleicht war dies die stärkste Möglichkeit. Schwarz muss hiernach den Abtausch
der Läufer erzwingen ohne der weißen Dame zu erlauben, am Königsflügel
einzugreifen. 22... g5! 23.Lxd6 Txd6 24.Td1 (24.Te1 Dh2+ 25.Kf1 Sxf2! Jetzt macht
sich das Fehlen der weißen Dame auf der zweiten Reihe bemerkbar. 26.Kxf2 Tf6+ 27.Ke3 Td8! und
der schwarze Angriff entscheidet die Partie.) 24... Tf6 Der schwarze Angriff ist zu
stark. Die weißen Figuren stehen zu schlecht. 25.Td2 (25.Dd2 Dh2+ 26.Kf1 Txf2+
27.Dxf2 Sxf2 28.Kxf2 Te8-+ und die Dame sollte im Zusammenspiel mit den Bauern die Partie entscheiden.)
25... Dh2+ 26.Kf1 Se3+ (26... Te8 27.Te2 Txe2-+) 27.Ke2 Sxg2-+]
22... Txd6 23.Tfe1 Tg6! Der schwarze Turm schaltet sich direkt in den Angriff ein
und ermöglicht neue taktische Motive. 24.Sc3 [Auch andere Züge helfen
nicht viel. Schwarz gibt immer Schach auf h2 und zieht danach mit dem Springer ab.
a) 24.De2 Dh2+ 25.Kf1 Dh1+!! 26.Lxh1 Sh2#;
b) 24.Te4 Dh2+ 25.Kf1 Sf6-+; 24.Te7 Dh2+ 25.Kf1 Sf6 (25... Dh4 26.Tae1 h5) 26.Lf3 (26.f3 Sh5-+)
26... Td8 und der schwarze Angriff bringt dem Nachziehenden klaren Vorteil. Er wird einfach Sh5 nebst
Tg1+ und Sg3+ mit entscheidendem Angriff folgen laßen.]
24... Dh2+ 25.Kf1 Sf6! [25... Se3+?! ist auch vorteilhaft für Schwarz. 26.Txe3
Txg2 27.Se4; 25...Td8? 26.Tad1∞] 26.Le4 [26.f3 Sh5! nebst Sf4 und h5-h4-h3 oder
einfach Sg3+/Sf4 ist sehr unangenehm für Weiß (Bronstein)] 26... Dh3+
[26... Te8-+; 26... Sxe4 27.Txe4 Td8-+] 27.Ke2 Sxe4 28.Sxe4 Te6 29.Kd2 [29.f3? Dg2+
30.Ke3 Dxb2-+] 29... Td8+ 0-1
Diese Seite wurde zuletzt am 29.11.2007 von
Manfred Tietze bearbeitet.